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Das Bild zeigt ein Buchkapitel mit dem Titel Counterspeech (Gegenrede)

Wie „gute Bürger:innen“ Hass und Hetze im Netz begegnen

Weizenbaum-Studie: Menschen mit starkem bürgerschaftlichen Selbstverständnis beziehen aktiver Stellung gegen Hassrede im Netz

Können demokratische Normen Menschen gegen Hass und Hetze im Netz aktivieren? Die Kommunikationswissenschaftler:innen Marlene Kunst, Pablo Porten-Cheé und Martin Emmer der Forschungsgruppe „Digital Citizenship“ haben gemeinsam mit Christiane Eilders von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf untersucht, welchen Einfluss bürgerschaftliche Normen darauf haben, wie Nutzer:innen Hasskommentaren im Internet begegnen. Dazu führten sie ein Experiment mit 337 Teilnehmer:innen durch. Die Ergebnisse der Studie machen deutlich: Menschen mit einer hohen Zustimmung zu Bürgernormen neigen eher dazu, Hass und Hetze im Netz entgegen zu treten.

Hassrede im Internet hat ein problematisches Ausmaß angenommen und stellt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. Hasskommentare verhindern nicht nur jede konstruktive Online-Diskussion; für Betroffene können sie zu einer schweren psychischen Belastung werden. In Deutschland sind Online-Plattformen gesetzlich dazu verpflichtet, Hasskommentare zu löschen. Viele Plattformen bieten ihren Nutzer:innen deshalb die Möglichkeit, Hassrede zu melden. Nutzer:innen können aber auch zu anderen wirkungsvollen Mitteln greifen, indem sie zum Beispiel den/die Verfasser:in aktiv konfrontieren (Gegenrede) oder den Kommentar schlecht bewerten (Dislike).

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie effektiv die verschiedenen Ansätze zur Bekämpfung von Hassrede sind. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, welche Faktoren ein Vorgehen von Nutzer:innen gegen Hasskommentare im Netz befördern. Für den Aufsatz „Do ‚Good Citizens‘ fight hate speech online? Effects of solidarity citizenship norms on user responses to hate comments”, erschienen im Journal of Information Technology & Politics, untersuchten die Wissenschaftler:innen, welchen Einfluss Bürgernormen auf Nutzerinterventionen gegen Hasskommentare unter Nachrichtenartikeln haben. Bürgernormen sind individuelle Vorstellungen davon, wie ein „guter Bürger“ oder eine „gute Bürgerin“ sich in einer Demokratie verhalten sollte.

„Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Teilnehmende mit hohen Zustimmungswerten zu Solidaritäts-Bürgernormen tendenziell nicht nur dazu neigten, gegen Hasskommentare vorzugehen, sondern auch gegen Kommentare, die sich abwertend gegenüber sozialen Gruppen äußerten“, erläutert Marlene Kunst. „Mit Disliken von Kommentaren oder Gegenrede scheint diese Personengruppe sowohl gegen Hassrede als auch subtilere Beleidigungen vorzugehen, während sie Flagging eher als ein Instrument für die spezifische Bekämpfung von Hassrede sieht.“ Damit zeigten die Ergebnisse der Studie, dass eine Stärkung des demokratischen Selbstverständnisses von Bürger:innen einen wertvollen Beitrag zur Resilienz unserer Gesellschaft gegen die Folgen von Hassrede im Internet leisten kann.


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Weitere Forschung zum Thema Nutzerinterventionen der Forschungsgruppe „Digital Citizenship“:

Online Civic Intervention:
A New Form of Political Participation Under Conditions of a Disruptive Online Discourse

 

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