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Eine weiße Frau mit braunen Haaren und hellem Pullover trägt eine VR-Brille und schaut leicht nach oben.

Weiterbildung im Metaverse

Malte Teichmann forscht mit seinen Kolleg:innen zu digitaler Bildung mit Virtual Reality. Im Interview erzählt er, warum das kein Selbstläufer ist und welche Potenziale dahinterliegen.

 

Lieber Malte, euer Forschungsprojekt beschäftigt sich mit Lernen in Virtual Reality Umgebungen. Was genau habt ihr untersucht und wie seid ihr dabei vorgegangen?

Meine Kollegin Jana Gonnermann, mein Kollege Geord David Ritterbusch und ich haben untersucht, wie man alters- und erwachsenengerechte Aus- und Weiterbildungen in Virtual Reality Learning Räume transferieren kann – und das in der Einzel- und Sondermaschinenfertigung am Beispiel der Klebebandfertigung. Dafür haben wir, basierend auf dem fachlichen Input unseres Industriepartners, verschiedene Lernmedien kreiert – beispielsweise Podcasts, kurze Slides und Videos – und haben diese in die virtuellen Lernräume integriert. Um Erwachsenenbildung altersgerecht umzusetzen, gibt es ein paar Spezifika, die man beachten muss: Beispielsweise profitieren erwachsene Lernende von einer schnellen Kontextualisierung von theoretischem Wissen in konkrete Anwendungsbeispiele. Ebenfalls sollte die Möglichkeit gegeben sein, den Lernprozess aktiv zu beeinflussen. Wir haben also versucht, unter anderem deklaratives und prozedurales Wissen mit beweglichen VR-Modellen und Interaktionsmöglichkeiten zu kontextualisieren und daran verschiedene Experimente mit Probanden und Probandinnen durchgeführt. Hierbei haben wir unter anderem den Wissenszuwachs durch Wissenstests sowie Lernerfolg mittels EyeTracking untersucht.
 

Was habt ihr herausgefunden, was können virtuelle Räume besser vermitteln als konventionelle Weiterbildungsmethoden?

Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Virtual Reality Learning Räume gerade komplexeres Wissen ziemlich gut durch diese schnelle Kontextualisierung vermitteln können. Wo wir weitere Tests benötigen, ist beim Faktenwissen. Hier haben sich VR-Räume nicht schlecht geschlagen, aber der direkte Vergleich zu konventionellen Arbeitsblättern fehlt noch. Ein überraschendes Ergebnis aus den qualitativen Interviews war, dass gerade erfahrene Personen, die schon relativ lange in der Praxis tätig waren, durch die VR-Räume ein neues übergeordnetes Verständnis für den kompletten Produktionsprozess und den Anwendungskontext der Teile entwickelt haben, die sie im täglichen Arbeitsprozess produzieren. Wir haben aber auch in einer zweiten Experimentenrunde unsere Studierenden durch den Raum geführt, die wenig bis kein Vorwissen über Sondermaschinenfertigung hatten. Die haben beim Wissenstest gute Ergebnisse erzielt. Also auch untrainierte Personen können ein gewisses Level an Wissen mitnehmen.
 

Was sollte man beim Konzipieren solcher Virtual Reality Weiterbildungen beachten?

Hier müssen wir unter anderem zwischen der Nutzungserfahrung in Virtual Reality und dem Lernen in virtuellen Räumen differenzieren. Hinsichtlich virtueller Experience muss man natürlich darauf achten, dass die Leute nicht unter kognitiver Überforderung leiden, die dann zu Kopfschmerzen, Übelkeit oder ähnlichem führen können. Beim Lernaspekt muss man darauf achten, dass man die Lernenden nicht mit zu viel Material überschüttet, und sie dann von der Menge an Inhalten überfordert sind. Es ist wichtig, die Lerninhalte didaktisch sinnvoll aufzubereiten. Ein Virtual Reality Learning Environment funktioniert nicht als Selbstzweck, sondern muss mit didaktischen Überlegungen unterfüttert werden, genauso wie bei einem analogen Kurs. Einfach 3D-Modelle mit irgendwelchen Informationen annotiert in eine virtuelle Umgebung zu werfen, reicht nicht aus.
 

Beim Metaverse denken viele erstmal an Gaming oder Unterhaltung. In welchen Bereichen finden diese VR-Lernmethoden bereits Anwendung und wie weit sind sie schon verbreitet?

Relativ viele Apps gibt es im Bereich der medizinischen Bildung, insbesondere in der Chirurgie-Ausbildung. Was auch noch sehr beliebt ist, sind Sicherheitstrainings für Lerninhalte, die unter real weltlichen Bedingungen relativ schwer darzustellen sind, einfach weil sie gefährlich sind oder sehr kostenintensiv. Das sind zum Beispiel Trainings für Unfallsituationen, Problemen im Cockpit oder für die Feuerwehr. Im Konstruktions- und Produktionswesen kommen aktuell immer mehr VR-Anwendungen dazu.
 

Sind VR-Lernräume für bestimmte Menschen oder Gruppen besser geeignet als für andere?

Basierend auf dem qualitativen Feedback unserer Probanden und Probandinnen kann man sagen, dass eine gewisse Vorerfahrung mit dem Navigieren durch virtuelle Räume durchaus hilfreich, wenn nicht sogar eine Voraussetzung ist. Das vereinfacht die Bewegung durch den Raum enorm. Wir gehen aber auch davon aus, dass Virtual Reality Learning Räume sich gut dafür eignen, Personen in Lernkontexte zurückzuholen, die relativ lange aus dem Bildungswesen ausgeschieden sind, weil die Akzeptanz gegenüber diesem Lernmedium ziemlich hoch ist. Unsere Probanden und Probandinnen haben sich sehr wohl in diesen Umgebungen gefühlt. Personen oder Personengruppen mit unterschiedlichen Bildungsbiografien und Hintergründen können also davon profitieren. 
 

Wie geht es jetzt mit eurem Forschungsprojekt weiter?

Es sind schon Publikationen entstanden zu unseren Auswertungen der EyeTracking-Daten und den Ergebnissen der Wissenstests. Wir haben gerade die Projektskizze für ein anschließendes Projekt eingereicht, in dem wir untersuchen wollen, wie verschiedene VR-Lernräume aufeinander wirken, und wie andere Plattformen, wie Moodle, oder Künstliche Intelligenz das Lernen in und zwischen den virtuellen Räumen beeinflussen.

Darüber hinaus kann man natürlich in VR-Räumen immer daran arbeiten, die Interaktionsmöglichkeiten noch feiner auszudifferenzieren. Wir überlegen also, wie wir verschiedene Sinne ansprechen können, um den Immersionsgrad – den Grad, in dem eine Person sich in diesem virtuellen Environment verliert – noch weiter erhöhen zu können. Wir wollen auch untersuchen, wie die Person den Raum verändern kann – nicht unbedingt nur mit einem Controller, sondern vielleicht auch mit Sprach- oder mit Gestensteuerung. Insgesamt soll uns das helfen herauszufinden, wie eigentlich kooperatives Netzwerklernen im Metaverse funktionieren kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Malte Teichmann ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe „Bildung für die digitale Welt“ und forscht dort an der Entwicklung von Lernaufgaben und -Modulen für die individuelle  prozessbezogene Weiterbildung, Methoden zur kontextsensitiven Auswahl  digitaler Medien sowie daraus resultierender Transfer- und  Migrationsstrategien. An Virtual Reality Lernumgebungen forscht er gemeinsam mit Jana Gonnermann und Geord David Ritterbusch.

Das Interview führte Leonie Dorn.

Publikationen

  • Gonnermann, Jana and Teichmann, Malte, "Influence of Pre-Experience on Learning, Usability and Cognitive Load in a Virtual Learning Environment" (2023). AMCIS 2023 Proceedings. 25.
    aisel.aisnet.org/amcis2023/sig_ed/sig_ed/25
  • Gonnermann, Jana and Teichmann, Malte, "Influence of Pre-Experience on Learning, Usability and Cognitive Load in a Virtual Learning Environment" (2023). AMCIS 2023 Proceedings. 25.
    aisel.aisnet.org/amcis2023/sig_ed/sig_ed/25
  • Sultanow, Eldar; Chircu, Alina; Wüstemann, Stefanie; Schwan, André; Lehmann, Andreas; Sept, André; Szymanski, Oliver; Venkatesan, Sripriya; Ritterbusch, Georg David; and Teichmann, Malte Rolf, "Metaverse Opportunities for the Public Sector" (2022). International Conference on Information Systems 2022 Special Interest Group on Big Data Proceedings. 5.
    aisel.aisnet.org/sigbd2022/5
  • Ullrich, André and Teichmann, Malte and Gronau, Norbert, Multimodal human machine interaction for supporting older employees’ learning processes by age-appropriate dialog design (April 3, 2022). 12th Conference on Learning Factories, Proceedings of the 12th Conference on Learning Factories (CLF 2022), Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4073877