01.03.2023
17:30 Uhr - 20:00 Uhr | Pfefferberg Theater: Schönhauser Allee 176, 10119 Berlin
Weizenbaum Debate #1: Macht und Mittel. Wer gestaltet den digitalen Raum?
Bei dem neuen Veranstaltungsformat des Weizenbaum-Instituts am 1. März drehte sich alles rund um Fragen zur Privatisierung und Digitalisierung staatlicher Funktionen. Wer behält dabei die Macht und wer verliert vielleicht die Kontrolle?
Konstruktive Auseinandersetzungen darüber, wie wir Digitalisierung gestalten wollen, sind heutzutage schwer zu finden. Ob in Kommentarspalten oder in Talkshows, die Fronten sind verhärtet und es gibt wenig Interesse daran, sich auf andere Perspektiven einzulassen, geschweige denn, der Gegenseite auch mal Recht zu geben. Doch in Zeiten von globalen Plattformen, Klimakrise und Künstlicher Intelligenz ist die gemeinsame Suche nach Antworten auf diese komplexen Fragen der digitalen Gesellschaft dringender denn je. Deshalb feierte am 1. März ein neues Debattenformat des Weizenbaum-Instituts Premiere in Berlin: Die Weizenbaum Debate. Sie fand im Rahmen des Jubiläumsjahres Weizenbaum 100 statt.
Die Perspektiven, die an dem Abend in einem vollen Pfefferberg-Theater aufeinandertrafen, konnten unterschiedlicher nicht sein: Elisa Lindinger von der Non-Profit-Organisation Superrr Lab wird angetrieben von einem feministischen Verständnis der Gleichberechtigung und Vielfalt. In ihrer Arbeit hinterfragt sie die Macht und den Zweck von Technologie in der Gesellschaft. Sabine Frank ist Head of Governmental Affairs and Public Policy bei einer der mächtigsten Plattformen der Welt: YouTube DACH/CEE.
Thema des Abends war die Frage der Privatisierung der digitalen Daseinsvorsorge und das Verhältnis zwischen Staat und Unternehmen in der Gestaltung des digitalen Raums. Diskutiert wurden mangelnde Leitbilder in der Digitalpolitik, fehlende Transparenz und Partizipation bei Governance-Prozessen – ebenso wie von Community Guidelines auf Plattformen – und die Regulierung von Plattforminhalten, ob Hassrede oder Desinformation. Trotz der klaren Fronten begaben sich beide immer wieder auf die Suche nach dem Gemeinsamen, auch wenn es manchmal nur der kleinste gemeinsame Nenner war.
So gab es zum Beispiel von beiden Seiten viel Kritik an der Digitalpolitik der Bundesregierung. Elisa Lindinger monierte, es sei trotz der vielen Strategiepapiere nicht klar, was für eine Digitalisierung wir eigentlich wollen – und eine Reduzierung auf Schadensbegrenzung gefährlicher Plattformdynamiken könne es ja wohl nicht sein. Sabine Frank kritisierte den Mangel an Gestaltungsraum von Plattformen, die Regulierungen wären zu wenig passgenau auf diese eingestellt. Weder Lindinger noch Frank sahen viel Sinn hinter nationalen Gesetzgebungen für eine vernetzte Welt.
Bei der Diskussion um das richtige Maß und Mittel von Content Moderation wägten beide Seiten ab: zwischen den unwürdigen Arbeitsbedingungen von Plattform-Moderator:innen und den Gefahren von automatisierter Moderation, inklusive Seitenhiebe auf die geplante Chatkontrolle der EU. Dass nicht alle Menschen gleichermaßen von Hassrede oder Zensur im Netz betroffen sind, und dass das NetzDG als Blaupause von autoritären Regimen genutzt werde, um Oppositionelle zu unterdrücken, hinterließ einen bitteren Beigeschmack.
Beim Thema Governance-Prozesse gab es vor allem verschiedene Wahrnehmungen zwischen Lindinger, die diese gegenüber der Zivilgesellschaft als sehr verschlossen erlebt, und dem dritten Gast des Abends, Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP und Mitglied im Bundestag. Hier wurden die Diskrepanzen der Lobbyaktivitäten zwischen Unternehmen und Zivilgesellschaft deutlich.
Bei der Frage, was eine funktionierende digitale Demokratie braucht, war man sich einig: mehr Menschlichkeit – wobei Lindinger darauf hinwies, dass das ja wohl „the lowest of low-hangig fruits“ sei. Beide Seiten verabredeten sich allerdings, ab jetzt öfter mal miteinander zu telefonieren.
Wir vom Weizenbaum-Institut freuen uns dagegen schon auf das nächste konstruktive Streitgespräch und bedanken uns bei Publikum und Diskutant:innen für den spannenden Abend.
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