25.11.2024
09:00 Uhr - 16:00 Uhr | online
Lektüreseminar für Modul 1 (QPD, Basis Segment): Digitale Innovation – Erforschen, Kritisieren, Designen und Regulieren
Digitale Innovationen durchdringen nahezu jeden Aspekt unseres Lebens und haben tiefgreifende Auswirkungen auf Kultur, Wirtschaft und Politik. Das Lektüreseminar hat zum Ziel, „digitale Innovation“ als eine solche Perspektive anhand von vier verschiedenen Dimensionen greifbar und für die Teilnehmenden nutzbar zu machen.
Hintergrund
Digitale Innovationen durchdringen nahezu jeden Aspekt unseres Lebens und haben tiefgreifende Auswirkungen auf Kultur, Wirtschaft und Politik. Neue Informationsbeschaffungssysteme bringen neue Lern- und Bildungspraktiken hervor; soziale Medien verändern die Dynamik der zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit; Cloud-Infrastrukturen ermöglichen neue Geschäftsmodelle. Das Lektüreseminar geht davon aus, dass digitale Innovation nicht nur etwas ist, dem wir empirisch in der Welt begegnen, sondern eine methodische und theoretische Perspektive bieten kann, durch die wir unsere wissenschaftliche Arbeit besser verstehen und ausführen können. Das Lektüreseminar hat zum Ziel, „digitale Innovation“ als eine solche Perspektive anhand von vier verschiedenen Dimensionen greifbar und für die Teilnehmenden nutzbar zu machen.
Über das Lektüreseminar
Das Lektüreseminar ist von der Idee getragen, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit der digitalen Transformation vor große Herausforderungen gestellt ist und von einer ganzheitlichen Perspektive profitieren würde. Hiermit ist gemeint, den Forschungsgegenstand und Forschungsprozess sowie den Standpunkt und den praktischen Zweck des eigenen wissenschaftlichen Arbeitens mit der Geschwindigkeit, Ausmaße, Komplexität und Tragweite der digitalen Transformation ins Verhältnis zu setzen. Die Perspektive „digitale Innovation“ soll für ein strategisches Verständnis der eigenen Arbeit sensibilisieren und die Teilnehmenden dazu ermutigen, ihr Forschungsprogramm mit Blick auf hinreichend relevantes, weitreichendes und konkretes Handlungswissen zu entwerfen und auszuführen.
Bei dem Lektüreseminar handelt es sich um eine Einführung. Er bezieht sich auf verschiedene Themen und basiert auf Literatur aus unterschiedlichen Disziplinen wie Organisationsforschung, Designforschung, Innovationsforschung, Wissenschafts- und Technikforschung. Das Lektüreseminar umfasst zwei volle Tage; je drei Stunden am Vormittag und drei Stunden am Nachmittag (9-12 und 13-16). Es ist für jede Session von allen Teilnehmenden ein Text in Vorbereitung zu lesen; für jeden Text müssen ausgewählte Teilnehmende ein Thesenpapier vorbereiten. In jeder Session ist außerdem eine Person mit Expertise eingeladen, die einen Input geben und anschließend mitdiskutieren wird. Zum Abschluss des Lektüreseminars sind die Teilnehmenden gebeten, einen strukturierten Essay zu formulieren, in dem mindestens zwei der vier besprochenen Dimensionen auf die eigene Arbeit bezogen werden; darüber hinaus werden die Teilnehmenden gebeten, Feedback zu geben zum Essay einer anderen teilnehmenden Person.
Session 1
Digitale Innovation erforschen. Diese Session geht von der Annahme aus, dass die Erforschung der digitalen Transformation neue epistemisch-methodologische Herangehensweisen erfordert. Dies bedeutet insbesondere, dass die Erforschung der Effekte digitaler Technologien nicht mehr einfach von der Erforschung ihrer Genesis zu trennen ist, sondern beide Forschungsperspektiven aktiv im Planen und Ausführen von wissenschaftlicher Forschung ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Dies hat Auswirkungen auf die Wahl des empirischen Feldes und der Cases sowie der Forschungsmethode bzw. des Forschungszugangs. Darüber hinaus hat diese integrierte methodologische Herangehensweise aber auch Einfluss darauf, welche Erkenntnisse erreicht werden und wie diese durch Theoretisieren expliziert und mit anderen Erkenntnissen und Problemen in Verbindung gebracht werden. Diese Session hat zum Ziel, diese Herangehensweise durch die Perspektive "Digitale Innovation" verständlich und für die eigene Forschungsarbeit nutzbar zu machen.
Session 2
Digitale Innovation kritisieren. Diese Session geht davon aus, dass die digitale Transformation einer kritischen Prüfung unterzogen werden muss, die über das Offenlegen von Effekten dieser Transformation in verschiedenen Bereichen wie Kultur, Arbeit, Wirtschaft oder Politik hinausgeht. Demnach bedarf es einer Kritik der digitalen Innovation als solcher, d.h. ihrer ökonomischen, ökologischen, kulturellen und letztlich ideologischen Bedingungen. Diese Session soll Bewusstsein dafür erzeugen, dass digitale Innovation als Vehikel von Depolitisierung und Repolitisierung bzw. als Form politischer Aushandlung verstanden werden muss. Sie soll zudem dafür sensibilisieren, wie Technikneutralität und -determinismus in der Impact-orientierten Erforschung bzw. nachgelagert im Policy-Diskurs reproduziert werden, wenn die gesellschaftlichen Bedingungen digitaler Innovationen nicht ausreichend Reflexion erfahren.
Session 3
Digitale Innovation designen. Diese Session geht davon aus, dass ein umfassendes Verständnis digitaler Transformation unbedingt eine Designperspektive beinhalten muss. Demnach kann das Nachvollziehen der Arbeit und Denkweise von Designern sozio-technischer Systeme und Objekte die Erforschung dieser Transformation wesentlich verbessern. Hierbei geht es nicht nur darum besser zu verstehen, wie das Design solcher Systeme und Objekte bestimmten Bedürfnissen und Erwartungen antizipiert und lebensweltliche Komplexitäten auf bestimmte Affordanzen reduziert, sondern auch nachzuvollziehen, dass Designprozesse in politischen und ökonomischen Kontexten ablaufen, die großen Einfluss auf die Gestalt dieser Systeme und Objekte haben. Diese Session soll auch Aufmerksamkeit dafür erzeugen, dass das Design digitaler Innovation einen grundsätzlich unabgeschlossenen Prozess darstellt, in dem Nutzende an der Weiterentwicklung der durch sie verwendeten Systeme und Objekte beteiligt sind. Zudem soll die Session ein Verständnis davon entwickeln, dass Designprozesse stets von Experten vorangetrieben werden, die ihre Vorstellungen von der Welt in die von ihnen gestalteten Systeme und Objekte einschreiben, und somit die Erforschung der digitalen Transformation eine fundamental interdisziplinäre Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Theorien darstellt, die in technischen Artefakten verkörpert sind.
Session 4
Digitale Innovation regulieren. Diese Session geht davon aus, dass die digitale Transformation die Regulierung von Technologie und Ökonomie vor fundamentale Herausforderungen stellt und neue Theorien und Praktiken der Regulierung erforderlich sind. Diese Herausforderungen werden besonders deutlich durch die Perspektive digitaler Innovation. Klassische Regulierungsansätze, die auf Verbote und Vorgaben setzen, werden zunehmend kombiniert und teilweise ersetzt mit Ansätzen, die auf Innovation zielen. Diese Session wird sich damit beschäftigen, was die Hintergründe und Ursachen für diesen Paradigmenwechsel sind. Sie soll dafür sensibilisieren, dass digitale Innovation grundsätzlich unabgeschlossen und schwer vorhersehbar ist, nicht-linear verläuft und aus Komplexität hervorgeht, nur bedingt mit traditionellen Vorstellungen von Gesetz und nationalen Grenzen vereinbar ist und neuartige Formen der Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden, Unternehmen und zivilem Engagement erfordert.
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Sebastian Koth
Sebastian Koth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe „Reorganisation von Wissenspraktiken” am Weizenbaum-Institut. Aktuell untersucht er, wie Künstliche Intelligenz und Distributed Ledger die Praxis und Organisation der Wissenschaft verändert. Er arbeitet an der Schnittstelle von Wissenschaft-, Innovations- und Technikforschung sowie Organisationsforschung und Wirtschaftssoziologie.
Rainer Rehak
Rainer Rehak ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe „Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Teilhabe“ am Weizenbaum-Institut. Seine Forschungsfelder sind Datenschutz, IT-Sicherheit, staatliches Hacking, Informatik und Ethik, Technikfiktionen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit, konviviale und demokratische Digitaltechnik sowie die Implikationen und Grenzen von Automatisierung durch KI-Systeme.