Uncertain journeys into digital futures: Rückblick auf die 6. Weizenbaum-Conference
Auf der diesjährigen Weizenbaum Conference ging es um die Frage, wie wir angesichts der aktuellen und kommenden Herausforderungen und Krisen eine wünschenswerte Zukunft gestalten können. Ein besonderer Fokus lag auf der „twin transformation“ – der parallelen und vielfach ineinandergreifenden digitalen und ökologischen Transformation der Gesellschaften.
Eröffnet wurde die Conference von Christoph Neuberger, dem Wissenschaftlichen Geschäftsführer des Weizenbaum-Instituts. Er lobte die erfolgreiche Evaluation des Instituts durch den Wissenschaftsrat und blickte optimistisch auf die Zukunft: „Wir freuen uns, dass wir Sie wohl auch in den kommenden Jahren zu einer Weizenbaum Conference begrüßen können!“
In ihrem Grußwort betonte Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger die Unsicherheiten hinsichtlich des Klimawandels und der geopolitischen Lage. Sie sah diese nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Motivation und Gelegenheit zu handeln. Sie würdigte die Leitwerte des Weizenbaum-Instituts – digitale Selbstbestimmung und Nachhaltigkeit – als wichtige Orientierung in den anstehenden Debatten. Zudem gratulierte sie dem Institut zur erfolgreichen Evaluation: „You are on your way to the top of international digitalization research!“
Die Conference Chairs Thomas Kox, André Ullrich und Herbert Zech stellten Ihre Gedanken zu dem Thema der Konferenz vor und betonten dabei die Komplexität sogenannter „wicked problems“ sowie die grundsätzliche Unbestimmtheit von Zukunft. Verschiedene mögliche Zukünfte sollten in zahlreichen spannenden Vorträgen, Beiträgen und Präsentationen interdisziplinär ausgelotet werden.
Francesca Bria entwickelte in ihrer Keynote die Bausteine für eine europäische Strategie für eine digitale Wirtschaft, die auf Nachhaltigkeit und Menschenrechten beruht. Angesichts der aktuellen Polykrise, ausgelöst durch Kriege, Handelskriege, Migrations- und Klimakrise sowie Abhängigkeiten von kritischen Rohstoffen und geopolitischen Verschiebungen, stellte sie die Frage nach der gewünschten Gesellschaft. Sie forderte eine demokratische Agenda zum Schutz von Daten, Interessen, kritischen Prozessen und Infrastrukturen und eine antimonopolistische Wirtschaftspolitik, die sich der Klimaneutralität, Open Source Technologien, innereruropäischer Interoperabilität und dem Wettbewerb verpflichtet fühlt.
In einer Vielzahl von Beiträgen wurden verschiedene Aspekte der Twin-Transformation und Instrumente zur Gestaltung wünschenswerter Zukünfte vorgestellt. Lubna Rashid, Jordana Composto und Elke Weber untersuchten die Treiber positiver Einstellungen und Verhaltensweisen zum Thema Umwelt bei deutschen Arbeitnehmern. Florian Butollo und Ann Katzinski präsentierten erste Ergebnisse ihres Projekts zum Einfluss generativer KI auf Wissensarbeit. Paula Scharf und Thomas Bartoschek stellten ein mobiles, energieeffizientes und günstiges System zur Optimierung von fahrradorientierten Mobilitätsplanungen und Sicherheitsstrategien vor. Tina Comes präsentierte eine Fallstudie zum Verhalten von Geflüchteten und zur Bereitstellung lebenswichtiger Infrastrukturen, aus der sich konkrete Verbesserungsempfehlungen ableiten ließen. Christian Herzog und Daniela Zetti untersuchten „Digitale Souveränität“ als „ill-structured problem“ (ISP), das nur prozessual gelöst werden kann. Christoph Bieber, Mennatullah Hendawy, Jana Baum, Anouk Cenan, Niklas Frechen, Anne Goldmann und Pauline Heger analysierten das Versprechen der „Smart Cities“ und verwarfen es als nicht praktikabel.
In der Panel-Diskussion "Dimensions of AI Sustainability" diskutierten Sandra Wachter (Oxford Internet Institute), Jeremias Adams-Prassl (University of Oxford), danah boyd (Microsoft Research & Georgetown) und Brent Mittelstadt (Oxford Internet Institute) unter der Moderation von Philipp Hacker (European New School of Digital Studies) die verschiedenen Dimensionen einer nachhaltigen Künstlichen Intelligenz sowie deren Beitrag für eine sozial-ökologische Transformation. Sie thematisierten ökologischen Raubbau, neue geopolitische Abhängigkeiten und Marktkonzentrationen sowie die Gefahr, dass subtile Inakkuratheiten in KI-Systemen kollektives Wissen „verschmutzen“.
Der zweite Tag der Konferenz begann mit einer Keynote von Ina Schieferdecker über „(Un)Certainties of Environmental Change and AI“, in der sie die Sicherheiten und Unsicherheiten im Hinblick auf den Klimawandel und die Entwicklung von Technologien herausarbeitete. Sie betonte das Potential einer nachhaltigen, grünen Künstlichen Intelligenz für die ökologische Transformation.
Sigrid Kannengießer argumentierte in eine ähnliche Richtung und stellte fest, dass wir bereits genug über die ökologischen Probleme von KI wüssten, um sie zu lösen. Florian Meissner, Jan Magnus Nold, Martina Angela Sasse, Rebecca Panskus und Alexander Wilke präsentierten, wie das Bundesamt für Informationssicherheit die Öffentlichkeit über soziale Medien über Sicherheitsprobleme informiert – mit dem ernüchternden Ergebnis, dass dies häufig ungenügend, vage und selbstreferenziell geschieht.
Die folgenden Vorträge drehten sich um die Vorstellungen und Imaginationen von Zukunft, die heutiges Handeln motivieren. Josephine Schmitt analysierte Bilder, Zeichnungen und Skizzen, die Menschen über die Zukunft angefertigt hatten. Annemarie Witschas kritisierte die Zukunftsvisionen als machtvolle Konstruktionen industrieller Akteure, die einer sozial-ökologischen entgegenarbeiten, und schlug eine demokratische Rückeroberung der Zukunft vor. Lorenz Erdmann und Simone Kimpeler präsentierten einen innovativen Ansatz von „Horizon-Scannings“ kombiniert mit „Sensemaking-Aktivitäten“, der es Organisationen ermöglichen soll, die Ungewissheiten der doppelten Transformation zu minimieren, systematische Verzerrungen im Denken über Zukunft zu beseitigen und sinnvolles Handeln zu ermöglichen.
In der abschließenden Panel-Diskussion diskutierten Verena Majuntke (HTW Berlin), Lena Hoffmann (Gesellschaft für Informatik), Felix Kronlage-Dammers (Open Source Business Alliance) und Grischa Beier (Research Institute for Sustainability) über die Möglichkeiten, Software effizienter und nachhaltiger zu machen. Der erste Schritt sei, diese Größen messbar zu machen – nicht nur im Hinblick auf den Energieverbrauch, sondern ganzheitlich unter Berücksichtigung von Ressourcen- und Wasserverbrauch. Für internationale Standards und eine effektive Regulierung brauche es mehr Kollaboration zwischen den europäischen Ländern. Open Source trage nicht nur zu mehr Transparenz bei, sondern ermögliche auch Wahlmöglichkeiten. Moderiert wurde das Panel von Nikolas Becker (Gesellschaft für Informatik).
Während der Konferenz wurden wissenschaftliche Poster zu Themen wie digitale Passivierung, smarte Regionen, Datenspenden und transdisziplinäre Lernumgebungen ausgestellt. Ebenfalls wurden mit der senseBox, dem Sensorbike, einer Umweltsensorstation sowie dem Simulationsspiel „Plan A“ interessante Demonstratoren ausgestellt. Im sogenannten „WeizenRaum“ wurde zudem die Möglichkeit geboten, das Institut, seine Mitarbeitenden und seine Leistungen besser kennenzulernen.
Abschließend bedankten sich die Chairs der Konferenz bei allen Beitragenden, den Reviewern sowie den vielen helfenden Händen aus dem wissenschaftsunterstützenden Bereich des Weizenbaum-Instituts.