Über "uncertain journeys" und "wicked problems"
Wie können wir ob all der aktuellen und kommenden Herausforderungen und Krisen eine wünschenswerte Zukunft gestalten? Darum soll es bei der 6. Weizenbaum Conference gehen. Wir haben mit den Chairs Thomas Kox, André Ullrich und Herbert Zech über Thema, Programm und ihre Hoffnungen für die Konferenz gesprochen.
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„Uncertain Journeys“ und „wicked societal and environmental problems“ - Wie seid Ihr auf das Konferenz-Thema gekommen?
André Ullrich (AU): Das Thema ergab sich aus unserer alltäglichen Arbeit. In meiner Forschungsgruppe forschen wir zum Thema Digitalisierung, Teilhabe und Nachhaltigkeit, letzteres in einem ökologischen, aber auch in einem sozialen Sinne. Da war es für mich natürlich recht naheliegend, dies zum Thema zu machen.
Herbert Zech (HZ): Ich muss hingegen zugeben, dass ich den Begriff der „Doppelten Transformation“ oder „twin challenge“ – also Digitalisierung und Klimawandel zuvor eher kritisch gesehen habe. Beides sind aktuell sicherlich wichtige Transformationsprozesse, aber Aktualität allein macht ja noch keinen Zusammenhang aus. Aber in der Tat: diese beiden Transformationen bedingen sich nicht nur gegenseitig, sondern dort, wo es Beziehungen und Berührungspunkte zwischen diesen beiden gibt, wird es wirklich spannend. Und das wollten wir mit diesem Thema weiter ausloten.
Thomas Kox (TK): Der Klimawandel ist sicherlich eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Die Anpassung an den Klimawandel aber auch die Digitalisierung von Staat, Wirtschaft und Bevölkerung sind Transformationsprozesse, die auch unseren Umgang mit zukünftigen Risiken verändern. Digitalisierung verändert die Möglichkeiten für Datenanalyse, Governance und Wissensmanagement. Das ist eine Diskussion, die wir hier am Weizenbaum-Institut ja schon lange führen: In welcher Gesellschaft, in welcher Zukunft wollen wir leben?
Was sind wicked (societal and environmental) problems?
AU: Wicked Problems sind u.a durch ihre gesellschaftliche Relevanz, Komplexität, Intransparenz und unklare Eigendynamiken definiert. Es gibt in der Regel nicht die eine einfache Lösung, sondern verschiedene, oftmals unklare und schwierig zu identifizierende und zu erreichende Lösungswege. Im Hinblick auf die Digitalisierung und den Klimawandel beeinflussen die Lösungen für das eine häufig auch das andere. Ein einfaches Beispiel: ein Rechenzentrum, das die Infrastruktur zur Berechnung von Klimamodellen bereitstellt oder unser Stromnetz smarter macht, verbraucht zugleich eine Menge Energie, der sich mit dem zunehmenden Einsatz von Ansätzen der Künstlicher Intelligenz nochmal deutlich vervielfacht. Für eine gute Lösung müssen wir beides in den Blick nehmen.
TK: Die Antizipation der Zukunft – oder genauer, aufgrund der Vielzahl an Möglichkeiten, der Zukünfte – bekommt stärkeres Gewicht. Risiken sind geprägt durch Unsicherheit, Mehrdeutigkeit, und das Fehlen von Wissen. Das beinhaltet dann sowohl technische Herausforderungen für Infrastrukturen, als auch für die Gesellschaft.
Warum ist das Thema der Konferenz jetzt wichtig?
AU: Bei all der Komplexität, vielleicht auch aufgrund ebendieser, macht sich aktuell so ein technologischer Solutionismus breit, also die Vorstellung, dass wir diese Probleme mit Technik in den Griff kriegen. Das ist so einfach nicht. Denn unsere Technik ist nicht nur Teil der Lösung, sondern sehr häufig und ganz klar auch ein Teil des Problems.
HZ: Ja, diesen Punkt möchte ich unterstreichen. Gerade im digitalen Raum haben wir zum Beispiel zunehmend Probleme mit der Autonomie und Souveränität des Individuums. Die Frage, ob eine bestimmte Technik nicht bestimmte Probleme erst geschaffen hat, wollen wir nicht aus dem Blick verlieren.
Gab es bei den Einreichungen für die Conference Überraschungen?
TK: Also, wir waren von der Qualität der Einreichungen schon begeistert. Aber was uns wirklich überrascht hat, war, dass der Beitrag, der von den externen Reviewer:innen am besten bewertet wurde, von einer Masterstudentin kam. Eine kluge, kritische und kreative Einreichung, über die wir uns sehr gefreut haben.
Aber ist das nicht eher unüblich bei derartigen Konferenzen? Spielen da nicht häufig Rang und Namen eine gewichtige Rolle? Oder: nach welchen Kriterien habt ihr die Beiträge ausgesucht?
AU: Die Kriterien für die Auswahl der Beiträge haben wir ganz klassisch gehalten: Passung zum Thema, Relevanz, Validität, Klarheit, etc. Aber es ist natürlich nicht ganz von der Hand zu weisen, dass häufig auch Rang und Namen eine Rolle spielen. Wir waren tatsächlich in allererster Linie an der Qualität der Inhalte und an deren Passung zu unserem Thema interessiert. Die Reviews folgen dem sogenannten Doppelblind-Verfahren, also sind den Reviewer:innen die Namen der Autor:innen nicht bekannt und umgekehrt. Daher wurde nicht auf Positionen geguckt und deshalb haben wir uns dann umso mehr gefreut, dass wir uns da alle doch weitgehend einig waren.
HZ: Ja, in dem Beitrag werden aktuelle Diskurse über Künstliche Intelligenz kritisch untersucht, inwiefern sie die sozial-ökologische Transformation behindern oder ausbremsen. Eine tolle Passung zu unserem Thema. Und ein starkes Signal für den wissenschaftlichen Nachwuchs: nur Mut!
Dieses Mal gibt es auch eine Ausstellung. Wie kam es dazu?
AU: Wir leben am Institut einen interdisziplinären Ansatz und tauschen uns intensiv mit anderen Disziplinen aus. Da die eben skizzierten Herausforderungen aber nicht allein aus der Forschung gelöst werden können, sind wir überzeugt davon, dass man andere betroffenen Akteure und Gruppen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenbringen sollte. Im Sinne eines solchen transdisziplinären Ansatzes möchten wir auch direkt praktischen Lösungen eine Plattform geben.
HZ: Ja, wir begreifen unsere Forschung hier am Weizenbaum-Institut immer als transferorientiert. Wir wollen im Dialog Wissen vermitteln, aber auch selbst dazulernen. Auf eine solche Veranstaltung gehören Demonstratoren dazu.
Was wünscht ihr euch von der Konferenz? Was sollen die Teilnehmer:innen mitnehmen?
AU: Ich wünsche mir, dass wir für die vielen nicht offensichtlichen Zusammenhänge zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit sensibilisieren können. Man kann das eine nicht ohne das andere betrachten. Darüber hinaus erhoffe ich mir für alle Beteiligten viele interessante inhaltliche Anregungen, neue Kontakte und dass wir, aber auch die Teilnehmer:innen mit einem zufriedenen Gefühl aus der Veranstaltung gehen.
HZ: Ich erhoffe mir interessante neue Forschungsperspektiven, und das soll explizit die Erweiterung der eigenen Perspektiven miteinschließen – für mich und alle Teilnehmenden.
TK: Da die diskutierten Herausforderungen gesellschaftliche Veränderungen und kollektive Anstrengungen erfordern, hoffe ich, dass sich auf unserer Konferenz auch Kontakte, Netzwerke und Beziehungen herstellen, die Prozesse und Projekte anstoßen, die über die Wissenschaft hinausweisen.
HZ: Wenn uns das gelingt, dann wäre es eine richtige Weizenbaum Conference gewesen. Denn wir wollen, dass an unserem Institut nicht nur exzellent geforscht wird, sondern dass es auch ein internationaler Ort von ebensolchem Austausch ist, der evidenzbasiert und werteorientiert zurück in die Gesellschaften wirkt.
Vielen Dank für das Gespräch.