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Simon Schrör ist Doktorand am Weizen-baum-Institut und forscht zu Urheberrecht und digitalen Produktionsweisen (Foto: Esra Eres)

Sampling – Beats zwischen Kunstfreiheit und Eigentum

Das Sampeln von Beats ist im Hip-Hop weit verbreitet. Doch fast jedes Tonstück ist rechtlich geschützt. Das Einholen von Nutzungsrechten ist vor allem für semi-professionelle Musiker:innen mit Hürden verbunden. Simon Schrör, Wissenschaftler am Weizenbaum-Institut, hat nun untersucht, wie rechtliche Unsicherheit das Entstehen von Songs beeinflusst.

Sampling ist im Hip-Hop eine zentrale Technik des Musizierens, der künstlerischen Auseinandersetzung mit anderer Musik. Man entnimmt Ausschnitte eines Songs, ändert Tonhöhe und Geschwindigkeit, loopt sie durch einen Track, schichtet weitere Ton- und Gesangsspuren darüber. Hip-Hop-Größen wie Kanye West, Jay Z und Dr. Dre haben auf diese Weise Welthits produziert. Doch Samples sind meistens urheber- oder leistungsrechtlich geschützt. Für ihre Verwendung muss das Einverständnis der Rechteinhaber vorliegen, muss in der Regel gezahlt werden.    

Urheber- und Leistungsschutzrecht bei Musikstücken

Simon Schrör, Doktorand am Weizenbaum-Institut, sieht hier einen Konflikt: „Das Urheber- und Leistungsschutzrecht ist vor einem anderen Hintergrund entstanden und ist in Bezug auf das Sampling in Teilen unklar. Folglich ist das Sample-Clearing, das Einholen von Nutzungsrechten für ein Tonstück, recht kompliziert.“ Die etablierten Musiklabels können auf diese Herausforderungen mit eigenen Rechtsabteilungen und großen finanziellen Mitteln reagieren. Musiker:innen, die nicht bei einem Label unter Vertrag stehen, fehlt nicht nur das Geld, sondern auch der Zugang zu den entscheidenden Personen. Damit haben sie keine Chance, Samples rechtlich abzusichern. 

Schrör legt den Fokus seiner Forschung auf Künstler:innen, die außerhalb der großen Musiklabels Hip-Hop machen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie rechtliche Unsicherheit in Bezug auf Sampling die musikalische Produktionspraxis beeinflusst. „Dazu habe ich den Entstehungsprozess von Hip-Hop-Produkten untersucht. Dabei konnte ich nachzeichnen, wie Akteure, die an der Komposition und Produktion eines Musikstücks beteiligt waren, dieses beeinflussen. Besonders spannend war hier die Frage, wie Entscheidungen für oder gegen Samples getroffen werden.“  

Durch die Digitalisierung hat sich die Produktion und Verbreitung von Musik enorm gewandelt: Mit einem Laptop, der passenden Software und ein paar Mikrofonen lässt sich heutzutage Musik in den eigenen vier Wänden produzieren – in Studioqualität. Über Vertriebswege wie Soundcloud, YouTube oder Spotify sind die neuen Songs in wenigen Minuten weltweit abspielbar. Besonders im Hip-Hop hat dies dazu geführt, dass sich abseits der etablierten Musiklabels immer mehr Künstler:innen einen Namen machen.

Einfluss rechtlicher Unsicherheit auf den Schaffensprozess

Schrör zeigt in seiner Arbeit, welche Auswirkungen rechtliche Unsicherheit auf das Komponieren und Musizieren in der Low Budget Hip-Hop-Industrie hat. „Bei einem untersuchten Album hat der Interpret entschieden, sich selbst in keiner Weise zu beschränken und auch seinen Produzenten völlige Freiheit im Umgang mit Samples einzuräumen“, beschreibt Schrör. Somit nimmt der Künstler hier ein bewusst großes rechtliches und ökonomisches Risiko in Kauf. 

Ganz im Gegensatz zu einem anderen Musiker, der mit großen Aufwand nach offen lizenzierten, frei verfügbaren Samples sucht, um ein rechtlich abgesichertes Lied zu produzieren. Schrör sieht bei dieser Form der Samplenutzung die Auswahl massiv eingeschränkt: „Das ist zwar eine wertvolle Art des Musizierens, hat mit der Kunstform des freien Sampelns, des Sich-Auseinandersetzens mit Inhalt und Sound anderer Musik nicht mehr viel zu tun.“

Sampling ist in der Branche allgegenwärtig. Die Bewertung des individuellen Risikos ist aber sehr unterschiedlich. So wird häufig mit unausgesprochenen Agreements argumentiert, denen zufolge „kleine“ Künstler:innen in der Regel nicht verklagt werden, da dort ohnehin nichts zu holen sei. Andere verstecken ihre Samples hinter technischen Effekten oder nutzen kürzeste Tonfetzen. Dass ein Risiko besteht, ist aber bekannt und bewusst. 

Forderung nach einer Bagatellregelung

Schrör schlägt vor, dass seitens des Gesetzgebers über eine generelle Form des Fair-Use sowie eine Bagatellregelung nachgedacht werden sollte, die der sozialen wie künstlerischen Realität des Samplings Rechnung trägt: „Bei den verwandten Schutzrechten im Urheberrecht, besonders auf der Ebene des Leistungsschutzes, bei der es nicht um künstlerische Werke, sondern nur um technische Aufnahmen geht, halte ich eine solche Regelung nicht nur für dringend notwendig, sondern auch ökonomisch wie ideell für legitim und im Sinne eines Interessensausgleiches zwischen den Beteiligten für geboten.“

Die Inhalte dieses Beitrags sind erschienen in: Schrör, Simon (2019). Die Auswirkungen rechtlicher Unsicherheit auf Produktionskonventionen in der Low-Budget Musikindustrie. Organized Creativity Discussion Paper No. 19