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Nur Plattformen? Neue Spielregeln für Uber & Co.

Die Forschungsgruppe „Arbeiten und Kooperieren in der Sharing Economy“ befasst sich u.a. mit Regulierung und Mitgestaltung in der plattformbasierten Sharing Economy. Ein Projekt geht der Frage nach, wie der Regulierungsrahmen für Airbnb beschaffen sein muss, um fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Ein weiteres Projekt untersucht, welchen Handlungsspielraum Gewerkschaften haben, um die sogenannten Gig-Arbeiter:innen der Sharing Economy für ihre Vereinigungen und Ziele zu gewinnen.

 

Die Sharing Economy hat auf unterschiedlichste Art und Weise Einzug in unseren Alltag gehalten. Wenn wir in den Urlaub fahren, nutzen wir eines der zahlreichen Carsharing-Angebote, um zum Flughafen zu kommen.Unsere Wohnung überlassen wir Fremden über Airbnb und im Zielland bringen uns Fahrer:innen des Fahrdienstvermittlers Uber von Tür zu Tür.

Ungeachtet der neuen Möglichkeiten werden Sharing-Plattformen zuweilen durchaus kritisch gesehen. Anbietern wie Airbnb wird beispielsweise vorgeworfen, den Mietpreisanstieg in deutschen Großstädten weiter anzuheizen, da für Kurzzeitmieten vermittelte Wohnungen dem regulären Mietmarkt entzogen werden. Auch Plattformen zur Vermittlung von Fahr-, Liefer- und Haushaltsdiensten stehen immer häufiger in der Kritik. Obwohl sie vor dem Gesetz als Internetplattformen gelten und somit weniger stark reguliert werden als ihre etablierte Konkurrenz, agieren Dienste wie Uber, TaskRabbit und ähnliche faktisch als Dienstleister, die ihren Kunden Qualitätsstandards versprechen und ihren Plattformarbeiter:innen trotz offiziellem Status als Selbständige Vorschriften machen. Die Arbeitsbedingungen sind oftmals prekär: Arbeitnehmerrechte, soziale Absicherung oder gar betriebliche Mitbestimmung existieren in der sogenannten Gig Economy – dem Arbeitsmarkt für online vermittelte kurzfristige Aufträge als Teil der Sharing Economy – so gut wie gar nicht. Viele der Plattformarbeiter:innen erzielen nur geringe Einkommen. All dies steht in Kontrast zum Narrativ des selbstbestimmten, flexibel arbeitenden „Partners“, als welche die Plattformen ihre Arbeiter:innen gerne sehen.

Für Gewerkschaften ist es immer noch eine offene Frage, wie sie dem Phänomen der Gig Economy begegnen sollen. Vor diesem Hintergrund untersucht die Sozialwissenschaftlerin Saba Rebecca Brause aktuell, wie sich Gewerkschaften dem Thema annähern. Sie fokussiert sich dabei vor allem auf die Branche von Fahr- und Lieferdiensten. „Ich möchte Interviews mit Gewerkschaftsvertretern führen, die in ihren Organisationen für diese neue Form der Arbeit zuständig sind. Dabei interessiert mich, mit welchen Strategien und welchen Inhalten Gewerkschaften versuchen, Plattformarbeiter als neue Mitgliedergruppe zu gewinnen“, erklärt Brause ihr Vorhaben. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der digitalen Kommunikation. „Wie organisieren sich Plattformarbeiter über soziale Medien? Wie nutzen Gewerkschaften soziale Medien, um Plattformarbeiter anzusprechen? Welche Kanäle wählen sie dazu, und welche inhaltlichen Rahmungen?“ 

Traditionell verteidigen Gewerkschaften eher das Ideal des Normalarbeitsverhältnisses gegenüber einer Ausbreitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse – nicht selten auf Kosten der atypisch Beschäftigten. Die in letzter Zeit zu beobachtende Öffnung der Gewerkschaften für diese Personengruppe führt zu einer wachsenden Fragmentierung der Interessen der (potenziellen) Gewerkschaftsmitglieder. Für die Gewerkschaftsorganisationen entstehen dadurch durchaus auch Spannungen. Brause untersucht die Gig Economy deshalb nicht nur unter arbeits-, sondern auch unter organisationssoziologischen Aspekten. „Gewerkschaften wurden in der Forschung lange Zeit vornehmlich als soziale Bewegungen von Lohnabhängigen zur Verteidigung ihrer sozioökonomischen Interessen begriffen“, so Brause. „Dies wandelte sich mit dem Niedergang der Arbeiterbewegung in den 1970er-Jahren. Seither werden Gewerkschaften zunehmend als strategische Akteure betrachtet, die auch auf den Erhalt und die Erneuerung ihrer Organisation selbst hinarbeiten. Als eine Erneuerungsstrategie gilt die Öffnung der Gewerkschaften für die Vertretung von atypisch Beschäftigten wie den heutigen Plattformarbeitern.”

Unternehmen der Sharing Economy stehen nicht nur in Bezug auf prekäre Arbeitsbedingungen in der Kritik, sondern auch, weil sie die Vorteile ihres Status als Plattform nutzen, um etablierten Anbietern, die einer stärkeren gesetzlichen Regulierung unterliegen, Konkurrenz zu machen. Taxiunternehmen beschweren sich über die Konkurrenz durch Uber und andere Fahrdienstleister und auch die Hotelbranche beklagt unrechtmäßige Wettbewerbsverzerrungen durch Airbnb, da private Anbieter:innen nicht denselben Vorschriften unterliegen wie gewerbliche Beherbergungseinrichtungen.

Die Rechtswissenschaftlerin Nadine Schawe geht vor diesem Hintergrund der Frage nach, wie der Regulierungsrahmen für Airbnb und ähnliche Anbieter ausgestaltet beziehungsweise reformiert werden sollte, um fairen Wettbewerb zu ermöglichen. „Mein Forschungsvorhaben zielt auf eine rechtsdogmatische sowie rechtsvergleichende Analyse des gesetzlichen Rahmens im Bereich des Homesharing ab. Auf dieser Basis möchte ich Gestaltungsmöglichkeiten für künftige Regulierungsmaßnahmen aufzeigen“, erklärt Schawe. Dabei will sie sich die gesetzliche Regulierung von Homesharing in verschiedenen Städten nicht nur in Deutschland anschauen. 

Für eine Juristin nicht unbedingt typisch befasst sich Schawe auch mit den technologischen Grundlagen digitaler Plattformen, über die Airbnb und andere ihre Dienste anbieten. Bereits in ihrer Masterarbeit hatte sie sich mit „smarten Verträgen“ via Blockchain-Technologie beschäftigt. Digitales Recht ist auch im neuen Projekt Thema. „In Deutschland ist die gesetzliche Regulierung meistens noch sehr analog“ meint Schawe. Sich eingehender mit innovativen Technologien, Daten und Schnittstellen zu befassen, lohne sich. Schawe: „Zum einen sehe ich hier Möglichkeiten der effektiveren Durchsetzung gesetzlicher Vorgaben durch die Einbindung technischer Lösungen. Zum anderen könnte man darüber nachdenken, inwiefern man Anbieter aus dem Segment Homesharing, aber auch Dienste wie Uber dazu verpflichten könnte, Daten aus Transaktionen mit Kunden in anonymisierter Form öffentlich zur Verfügung zu stellen.“ Kommunen könnten von diesen Daten in der Stadtplanung und bei der Verkehrssteuerung profitieren. Darüber hinaus könnte eine Verpflichtung zum Teilen von Daten langfristig der Bildung von Monopolen auf dem Markt entgegenwirken. 

In ihrem Projekt befasst sich Schawe schließlich nicht nur mit gesetzlicher Regulierung und deren technologischer Implementierung, sondern auch damit, inwiefern Effekte von Regulierung messbar sind. Mithilfe von durch Webscraping gesammelten Daten möchte Schawe ein detailliertes Bild der Wirkung einzelner Regulierungsmaßnahmen zeichnen.