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Mein Lehrer, ein Roboter? - Rückblick auf die Juni-Ausgabe des Weizenbaum-Forums

Das Weizenbaum-Forum am 8. Juni 2021 drehte sich rund um das Thema KI im Bildungsbereich.

Der Gebrauch von KI-Anwendungen im Bildungsbereich soll dabei helfen, Lehr- und Lernerfahrungen zu verbessern und das Bildungsmanagement zu optimieren. Die Debatte über die tatsächlichen Chancen entsprechender Anwendungen ist jedoch kontrovers und häufig wenig konkret. In der letzten Ausgabe des Weizenbaum-Forums kamen Christophe Speroni (Bettermarks), Romy Hilbig (ESO Group) und André Renz (Weizenbaum-Institut) zusammen, um der Frage nachzugehen, wie es aktuell um den Einsatz von KI im Bildungsbereich in Deutschland steht. Die Moderation der Veranstaltung übernahm Stefanie Hecht (Weizenbaum-Institut).

KI und der Blick aus der Wissenschaft

André Renz lieferte mit seinem Impuls den Einstieg in die Thematik und einen Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft. Renz zufolge sei die mediale Darstellung von KI in der Bildung häufig sehr futuristisch und habe wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Diese Überpointierung stärke das Phänomen einer KI-Aversion. In der Realität bedeute KI im Bildungsbereich vor allem adaptive, flexible Lernumgebungen, die traditionelle Bildungsformate ergänzen sollten. Die größten Potenziale von KI-Anwendungen seien Renz zufolge vor allem auf der Makro- und auf der Mesoebene zu beobachten. Dies beinhalte beispielsweise individualisierte Weiterbildungsangebote in der Arbeitswelt.

Zudem machte der Wissenschaftler auf die Diskrepanz zwischen der Grundlagenforschung und der Anwendungsforschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz in der Bildung aufmerksam. So würden in der Fachliteratur theoretische Überlegungen dominieren, jedoch fehle es häufig zu deren Untermauerung an der empirischen Evidenz. Abschließend präsentierte der Wissenschaftler die Befunde einer Umfrage unter 120 Berliner EdTech-Unternehmen hinsichtlich ihres Einsatzes von KI-Technologien. Die Ergebnisse legen das große Entwicklungspotenzial offen: 12 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass KI bereits eingesetzt werde oder in der Entwicklungsphase sei, 45 Prozent der Unternehmen strebten eine Nutzung von KI innerhalb der nächsten fünf Jahre an.

Sofortiges Feedback durch KI

In dem daran anschließenden Impulsvortrag öffnete Christophe Speroni einen unternehmerischen Blick auf das Thema KI in der Bildung. Als Chief Product Officer von bettermarks GmbH erläuterte er, wie sein Unternehmen KI nutze, um Schülern:innen das Lernen im Fach Mathematik zu erleichtern. Anders als beim analogen Unterricht mit Stift und Papier, bei dem Schüler:innen ihre Fehler häufig selbst nicht bemerkten, würde die bettermarks-Software bereits während der Aufgabenbearbeitung erkennen, wenn sich Fehler in die Antworten einschlichen. „Sofortiges Feedback ist unheimlich wichtig, um Lerneffekte zu erzielen“, so Speroni. Eines der Hauptziele der Anwendung von bettermarks sei es deshalb, den Kindern zu ermöglichen, aus ihren Fehlern zu lernen und Wissenslücken zu schließen.

Speroni zufolge könnten KI-Anwendungen im Klassenzimmer den Unterricht sinnvoll ergänzen, indem sie beispielsweise einen Großteil von Verständnisfragen vorab ausräumten. Dadurch erhielten Lehrkräfte die Möglichkeit, ihren Schüler:innen mehr gezielte Individualunterstützung zu geben. In diesem Bereich der sogenannten maschinell verarbeiteten Fehlvorstellung sieht Speroni das größte Potenzial für KI in der Bildung. Die Vorstellung einer Zukunft mit Robotern als Lehrkräfte sei jedoch irreführend, vielmehr sei KI als digitale Assistenz der Lehrkräfte zu verstehen.

Corona-Pandemie als Treiber der Digitalisierung in der Bildung

Den dritten und letzten Vortrag hielt Romy Hilbig in ihrer Funktion als Leiterin Business Development der ESO Group, einem der größten Zusammenschlüsse privater Bildungsträger in Deutschland. Die Covid-19-Pandemie sei laut Hilbig einer der größte Treiber der Digitalisierung im Bildungswesen in Deutschland gewesen. Corona habe dazu geführt, dass ein neuer Bedarf an Digitalisierung erzeugt wurde, der den Bildungsbereich nachhaltig verändert habe. „Diese Digitalisierung wird Teil unseres Bildungssystems in den Schulen bleiben und natürlich noch zunehmen,“ so Hilbig.

Die Verlagerung in den digitalen Raum erfordere jedoch auch eine vermehrte Auseinandersetzung mit dem Datenschutz und der DSGVO. Bildungsanbieter und EdTech-Unternehmen müssten daher sicherstellen, dass die Daten der Teilnehmenden geschützt werden. Hilbig plädierte darüber hinaus für eine Reform des Bildungssystems hin zu einem adaptiven und agilen KI-gestützten System, in dem die Lehrkraft als zentrale Figur durch Fort- und Weiterbildungen regelmäßig mit technologischen Neuerungen vertraut gemacht werde. Letztlich sei es auch erforderlich, dass das Hochschulsystem die Lehrerausbildung im Hinblick auf die Aneignung digitaler Kompetenzen anpasse, resümierte Hilbig.

Den Vorträgen folgte eine angeregte Diskussion, bei der sich das Publikum mittels Online eingereichter Fragen beteiligen konnte.

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