Informationssuche in sozialen Netzwerken: Eine Herausforderung für Geflüchtete?
Für viele Geflüchtete sind soziale Medien ein wichtiges Instrument, um sich in ihrem Aufnahmeland zu orientieren. Doch wie gehen Geflüchtete bei ihrer Informationssuche im Netz vor? Wie bewerten sie Informationen aus sozialen Netzwerken? Diesen Fragen ist die Forschungsgruppe "Digitale Integration" am Weizenbaum-Institut nachgegangen.
Sprachbarrieren und bürokratische Hürden – sie können Geflüchteten in Deutschland die Integration in die Gesellschaft erschweren. Denn: Um die komplexen Verwaltungsverfahren zu durchlaufen, benötigen Geflüchtete eine Vielzahl von Informationen über ihr Gastland sowie die bestehenden Asyl- und Aufenthaltsrechte. Der Zugang zu Informationen ist somit eine Voraussetzung, um sich besser und schneller in die Gesellschaft eingliedern zu können. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von digitalen Medienangeboten, die sich speziell an Geflüchtete richten und über das Leben in Deutschland informieren. Geflüchtete suchen aber auch gezielt in sozialen Netzwerken wie Facebook nach solchen Informationen.
Soziale Medien und Integration
Können soziale Medien den Informationsbedarf von Geflüchteten überhaupt decken? Oder tragen sie gar zur Verbreitung von Fehlinformationen bei? Die Forschungsgruppe um die Betriebswirtin Antonia Köster untersucht am Weizenbaum-Institut, wie soziale Medien eingesetzt und gestaltet werden können, um die gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. In einer kürzlich durchgeführten Studie untersuchte die Gruppe, auf welche vertrauensbildenden Strategien Geflüchtete zurückgreifen, um Informationen aus sozialen Netzwerken zu überprüfen. „Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse konnten wir Gestaltungsempfehlungen für Funktionen von Informationsplattformen ableiten mit dem Ziel, die soziale Inklusion von Geflüchteten zu unterstützen,“ so Köster.
Da das Online-Informationsverhalten von Geflüchteten bisher kaum untersucht wurde, betrat die Forschungsgruppe mit ihrer Fragestellung wissenschaftliches Neuland. In einem ersten Schritt führte sie qualitative Interviews mit syrischen Geflüchteten durch. Die Doktorandin Jana Gundlach erläutert: „Die Mehrheit der Befragten nannte Facebook als ihre erste Informationsquelle im Netz. Entsprechend haben wir uns in den nachfolgenden Interviews ausschließlich auf das soziale Medium Facebook konzentriert.“
Vlnr: Forschungsgruppenleiterin Antonia Köster mit den Doktorandinnen Jana Gundlach und Cora Bergert
Informationssuche in sozialen Medien
Basierend auf den erhobenen Daten formulierte das Team ein konzeptionelles Modell der Informationssuche in sozialen Netzwerken. Das Modell liefert erste Erkenntnisse darüber, wie Geflüchtete mit integrationsrelevanten Informationen aus dem Netz umgehen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Akzeptanz von Informationen aus sozialen Netzwerken nicht nur von den Informationseigenschaften wie Komplexität und Eindeutigkeit abhängt, sondern auch vom Vertrauen der Suchenden in die Informationsquelle und die Kontrollstrukturen der Plattformen.
„Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Informationssuche über soziale Netzwerke häufig keine zufriedenstellenden Ergebnisse liefert, weshalb Geflüchtete umfangreiche Bemühungen anstellen, um Online-Informationen zu verifizieren,“ so die Doktorandin Cora Bergert. „Diese Bemühungen beschränken sich nicht nur auf das soziale Netzwerk, sondern auch andere Onlineservices wie Übersetzungsdienste und Suchmaschinen. Ebenso werden Freunde und Spezialisten als Offline-Quellen zur Überprüfung der Informationen kontaktiert.“
Anforderungen an die Gestaltung von sozialen Medien
Doch wie können soziale Netzwerke künftig gestaltet werden, damit sie von Geflüchteten als vertrauenswürdig eingestuft werden? Köster schlägt vor, aktuelle rechtliche und integrationsrelevante Informationen auf den Onlineplattformen in mehreren Sprachen bereitzustellen. Außerdem sollten Köster zufolge Bundesbehörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verstärkt soziale Netzwerke nutzen, um Informationen zielgerichteter an Geflüchtete zu kommunizieren.
„Facebook unternahm im Rahmen der Unterzeichnung des Verhaltenscodex gegen Fake News bereits erste Schritte und stellte ein Tool zur Verfügung, um Falschinformationen überwachen und kennzeichnen zu können,“ erklärt Köster. „Weiterhin führte Facebook ein automatisches Übersetzungstool ein, welches den Nutzern eine sofortige Übersetzung der Inhalte ermöglicht.“ Eine weitere Möglichkeit sieht Köster in dem Einsatz von Moderator:innen, die beispielsweise in Facebook-Gruppen Diskussionen steuern könnten.
Weitere Forschung notwendig
Mit der Durchführung ihrer Studie legt die Forschungsgruppe eine Grundlage für die effektive Gestaltung von Informationssystemen, die den Informationsbedarf von Geflüchteten erfüllen können. In einem nächsten Schritt ist es notwendig, die konkreten Gestaltungsprinzipien zu identifizieren, die Geflüchtete bei der Navigation in der neuen Informationsumgebung unterstützen.