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Digital Services Act: „Die Liste der offenen Fragen ist lang“

Der DSA ist in Kraft. Das neue Projekt #DSA40 Collaboratory wird das Gesetz jetzt testen. Plattformforscher:innen Jakob Ohme und Ulrike Klinger erzählen im Interview, wie das geht.

 

Seit letztem Samstag, 17. Februar, ist der Digital Services Act, der große Plattformen wie Instagram, Google oder X/Twitter in der EU regulieren soll, vollumfänglich in Kraft. Damit startet auch ein gemeinsames Forschungsprojekt der European New School for Digital Studies der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und dem Weizenbaum-Institut. Darin wollen Jakob Ohme, Ulrike Klinger und Kolleg:innen testen, wie Forschende das Gesetz nutzen können, um Plattformen besser zu untersuchen.


Euer Projekt #DSA40 Data Collaboratory geht jetzt an den Start. Was genau wollt ihr dabei untersuchen?

Das Collaboratory wird eine Kooperation von Forschenden, um auszuprobieren, wie wir wissenschaftliche Fragestellungen mit Hilfe des Digital Services Acts beantworten können. Der Digital Services Act etabliert in Artikel 40 (DSA40) erstmalig einen Rechtsanspruch für Forschende auf Zugang zu Plattformdaten. Es geht hier aber nicht nur um Forschungsdaten, sondern auch darum, eine Community rund um den DSA40 zu bilden: Forschende zu informieren, uns auszutauschen und unsere Einblicke und Bedürfnisse in den politischen und regulatorischen Prozess einzubringen. Man darf nicht vergessen: Der DSA ist zwar seit dem 17. Februar wirksam, aber die Liste der offenen Fragen ist noch lang – gerade was die praktische Umsetzung des Plattform-Datenzugangs angeht. Es ist keineswegs ausgemacht, dass der DSA so umgesetzt wird, dass die Forschung tatsächlich bessere Daten bekommt. Ein konkreter erster Schritt ist der Start eines Data Access Trackers, mit dem wir feststellen wollen, wie häufig Forschende bisher Erfolg oder Misserfolg mit ihren Anfragen zum Datenzugang hatten. Mit dieser empirischen Basis wollen wir den Prozess weiter informieren und Hinweise an Regulierungsbehörden geben. Die Arbeit geht also gerade erst los.


Wie kann man so ein Gesetz wie den DSA testen?

In dem man sich anschaut, ob Forschende tatsächlich die Daten erhalten, die im Gesetz versprochen werden. Der DSA unterscheidet beim Datenzugang zwischen öffentlich-verfügbaren Plattformdaten – etwa durch Scraping oder APIs – und einem Zugang zu nicht öffentlichen Daten, der Forschenden nur auf Antrag gewährt wird, um ‚systemische Risiken‘ von Plattformkommunikation in der EU zu testen. Wir sehen jetzt schon, dass die Plattformen sich schwer tun, nur den Zugang zu öffentlichen Daten zu gewährleisten. Obwohl solche Daten – je nach Plattform – bis vor einigen Jahren oder Monaten bereits ganz einfach über APIs zugänglich waren. So hat die EU Kommission beispielsweise schon ein Beschwerdeverfahren gegen X eröffnet wegen unzureichendem API-Zugang und Erschwernissen beim Scraping.

Im DSA40 Collaboratory begleiten wir den Prozess der Umsetzung des Datenzugangs, indem wir einzelne Schritte auf ihre Praktikabilität testen: die Einfachheit der Antragsstellung, die Kommunikation mit den Digital-Service-Coordinators – die zuständigen Behörden auf nationaler Ebene – die Möglichkeiten des konkreten Datenzugangs, und die Qualität der Daten für die Forschung.
 

Was passiert mit euren Ergebnissen?

Wir werden das Wissen in Workshops aufbereiten und anderen Forschenden und Akteuren zur Verfügung stellen, die an der politischen Umsetzung beteiligt sind. Wir geben auch Rückmeldung an die Regulierungsbehörden – in Deutschland ist das zum Beispiel die Bundesnetzagentur. Wir planen auch eigene Forschungsprojekte und wissenschaftliche Studien mit Hilfe des Datenzugangs durchzuführen, um Aussagen zu systemischen Risiken treffen zu können, beispielsweise Desinformationen rund um wichtige Wahlen in der EU. Hauptziel des DSA40 Collaboratory ist es aber, Informationen für Forschende bereitzustellen und Politik und Verwaltung zu beraten.


Im Projektnamen steckt schon das Wort Kollaboration. Wie wollt ihr den Austausch zwischen Wissenschaftler:innen fördern?

Aktuell planen wir dazu drei erste Schritte: Erstens wollen wir Ansprechpartner:innen in den verschiedensten Wissenschaftsfeldern recherchieren und kontaktieren, um den DSA40 bekannter zu machen und auf seine Möglichkeiten hinzuweisen. Zweitens werden wir in den kommenden zweieinhalb Jahren mehrere Workshops durchführen, um Wissenschaftler:innen zu diesem Thema zu vernetzen und gemeinsam an Data Access Requests zu arbeiten. Drittens planen wir, eine Standing Group zu etablieren, die mit uns die Themensetzung und Schwerpunkte im Lab erarbeitet. Wir konnten bereits einige Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Disziplinen gewinnen, um das DSA40 Collaboratory zu einem interdisziplinären Anlaufpunkt für Forschende zu machen, die alle das gleiche Ziel haben: Bessere Forschung Dank Plattformdatenzugang.

 

Vielen Dank für das Interview!

 


 

#DSA40 Data Collaboratory ist ein gemeinsames Projekt der European New School for Digital Studies der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und dem Weizenbaum-Institut. Es wird gefördert von der Stiftung Mercator. Weitere Informationen zum Projekt folgen in Kürze.

Jakob Ohme ist Leiter der Forschungsgruppe „Dynamiken digitaler Nachrichtenvermittlung“ am Weizenbaum-Institut und Fellow am Digital Communication Methods Lab der University of Amsterdam. Er forscht zu den Auswirkungen der digitalen und mobilen Kommunikation auf Nachrichtennutzung und politisches Verhalten in digitalen Demokratien.

Ulrike Klinger ist Professorin für Digitale Demokratie an der European New School for Digital Studies an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und leitet dort das Digital Campaigns and Elections Lab (DiCE). Sie ist zudem assoziierte Forscherin am Weizenbaum-Institut. Im Fokus ihrer Forschung stehen die politische Kommunikation, der Wandel digitaler Öffentlichkeiten und die Rolle von Technologien in demokratischen Gesellschaften.