ChatGPT – Wirklich ein Mehrwert für Unternehmen?
Auch in Unternehmen kommt ChatGPT vermehrt zum Einsatz. Doch welchen Nutzen hat diese Künstliche Intelligenz (KI) für Business-Leute, Manager und Unternehmensführungen?
Seit ChatGPT im Herbst 2022 kostenlos für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, erlebt es einen regelrechten Hype. Eine Million Nutzer registrierten sich innerhalb von fünf Tagen– heute hat es längst die Marke von 200 Millionen Nutzern überschritten. Jennifer Haase vom Weizenbaum-Institut hat zusammen mit einem Autor:innenteam ChatGPT genauer analysiert und wir haben mit ihr über die Ergebnisse gesprochen.
Warum habt ihr euch mit ChatGPT befasst?
Es gab einerseits eine lautstarke Gruppe, die den Hype, den Fortschritt und das Potenzial von ChatGPT feierte. Andererseits gab es aber auch eine lautstarke, ängstliche Gruppe, die vor den negativen Konsequenzen solcher Tools warnte. Das hat uns als Autor:innen motiviert zu fragen: Wie kann man KI im besten Sinne nutzen? Wie kann man gesellschaftliche Herausforderungen und individuelle Probleme mit einem solchen Tool angehen?
An wen richtet sich euer Paper?
Unser Paper richtet sich an alle, die an KI-Tools wie ChatGPT interessiert sind. Die Zeitschrift Harvard Business Review, wo unser Paper erschienen ist, legt den Fokus dabei auf Business-Leute, Manager und Unternehmensführungen. Wir haben beobachtet, dass viele Menschen diese Tools intuitiv einsetzen und auf unterschiedlichste Alltagsprobleme anwenden – sei es, um sich das Leben zu erleichtern oder die Grenzen der Tools auszuloten.
All diese Experimente und Debatten, die wir in den Medien gesehen haben, sind Ausdruck einer besonderen Form von Kreativität, die wir „emergentes Denken“ nennen. Sie zielt darauf ab, Antworten auf Fragen zu finden, die sich oft erst im Prozess ergeben. Das steht im Gegensatz zu dem klassischen Verständnis von Kreativität, bei dem man ein Problem hat und eine Lösung dafür sucht. Bei emergentem Denken ist es manchmal umgekehrt: Man hat eine Lösung und weiß noch gar nicht, wofür sie nützlich ist – wie bei vielen Erfindungen und eben auch bei ChatGPT. Diese freie, gesellschaftliche Experimentierfreude ist eigentlich emergentes Denken.
Wie nutzen Unternehmen ChatGPT?
Wir haben versucht aufzuzeigen, wie weit dieses Experimentieren gehen kann und haben dabei drei Ansätze verfolgt:
- Man kann die bestehende Welt eines Unternehmens und etablierte Prozesse optimieren – und genau das lässt sich mit ChatGPT umsetzen.
- Der nächste Schritt wäre, über das Bestehende hinauszuwachsen, aber immer noch an das Vorhandene anzuknüpfen. Zum Beispiel, indem ein Unternehmen Angebote durch KI-Tools erweitert.
- Der dritte Ansatz, vielleicht der „wirklich kreative Weg“:Völlig neue Bereiche erschließen. Wir haben Beispiele aus der Praxis gesucht und beschrieben, wie Unternehmen ihre Prozesse optimieren, ihr Angebot erweitern oder durch den Einsatz von KI große Sprünge in neue Themenfelder machen und weitere Kund:innen gewinnen konnten.
Siehst du ChatGPT eher positiv oder kritisch?
Beides. Momentan sehe ich das Potenzial von Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT auf individueller, unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene positiv.
Fleißaufgaben lassen sich teilweise automatisieren, sodass nicht nur Unternehmen mit großem Budget oder IT-Know-how profitieren, sondern tatsächlich jeder, der schreiben kann und Zugang zum Internet hat, ChatGPT nutzen kann. Selbst in der kostenlosen Version sind diese Modelle bereits äußerst leistungsfähig. Das bringt uns allerdings auch zu den Nachteilen: Diese Tools sind so gut, dass sie viele Denk- und Kreativaufgaben übernehmen können – oft auf einem Niveau, das „gut genug“ ist. Menschen neigen dazu, faul zu sein, und es besteht die Gefahr, dass sie die Tools nutzen, ohne viel eigene Denkarbeit zu leisten. Deshalb denke ich, sollten Schüler:innen erst einmal eigene Kompetenzen erlernen, bevor sie ChatGPT nutzen. Im universitären Kontext hingegen sehe ich viele Anwendungsmöglichkeiten. So können StudierendeChatbots nutzen, um ihre Texte redigieren zu lassen oder spezielles Feedback zu bekommen – etwas, das ein Dozent für eine ganze Gruppe so nicht leisten kann. Es gibt also immer beide Seiten: großes Potenzial und Effizienzsteigerung, aber auch das Risiko, dass Menschen das Denken verlernen, wenn sie diese Tools als Ersatz dafür nutzen.
Was ist neu an eurem Ansatz?
Ich glaube, es sind zwei Dinge: Zum einen die Verknüpfung mit expliziten, konkreten Denkarten, denn ChatGPT ist ein Paradebeispiel für emergentes Denken. Zum anderen die Kombination von Praxisbeispielen, die zeigen, wie Unternehmen ChatGPT konkret eingeführt haben und welchen echten Mehrwert es ihnen bringt.
Wie geht es weiter?
Wir arbeiten weiter an der Frage, inwiefern KI-Tools wie ChatGPT einen Mehrwert für Unternehmen bieten – unabhängig vom Hype. Zum Beispiel führen wir Experimente mit Studierenden durch, die ChatGPT nutzen, um zu untersuchen, welchen Mehrwert das Tool im Vergleich zu traditionellem Lernen wirklich schafft. Darüber hinaus schauen wir in wissensintensiven Branchen, erheben Daten und befragen Menschen, um zu verstehen, wie sich die Arbeit in den einzelnen Bereichen wirklich verändert. Es wird viel über die potenziellen Veränderungen und Jobverluste durch KI gesprochen, doch die Realität sieht oft anders aus. Die Tools versprechen oft mehr, als sie tatsächlich leisten können. Diese Diskrepanz ist für uns jetzt von großem Interesse.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Edith Ottschofski
Zum Artikel „Discovering Where ChatGPT Can Create Value for Your Company“