Open Science am Weizenbaum-Institut: Data Explorer gelauncht
Data Scientist Roland Toth und Martin Emmer, wissenschaftlicher Leiter des Weizenbaum Panels, sprechen über den neuen Data Explorer, die Besonderheiten des Tools, seine Verortung in der Forschung des WI und die Relevanz von Open Science.
Roland Toth, Sie haben kürzlich den Weizenbaum Panel Data Explorer gelauncht, den Sie im Rahmen ihrer Arbeit am Weizenbaum-Institut entwickelt haben. Was kann dieses Tool, wie funktioniert es, und für wen ist es interessant?
Roland Toth: Der Weizenbaum Panel Data Explorer dient dazu, die Daten aus dem Weizenbaum Panel, einer seit 2019 durchgeführten jährlichen Befragung zu politischer Partizipation, Mediennutzung und Bürgernormen, interaktiv zugänglich zu machen. Das Tool ermöglicht es, unterschiedliche Kategorien, Fragen und soziodemographische Merkmale auszuwählen und kombiniert darzustellen. Die Ergebnisse können als Bilddatei heruntergeladen werden – zum Beispiel, um sie für (Forschungs-)Beiträge zu nutzen. Im Gegensatz zu vielen anderen Tools dieser Art (sogenannte Dashboards) basiert der Weizenbaum Panel Data Explorer ausschließlich auf Open-Source-Werkzeugen und erfüllt höhere Standards in den Bereichen Performance und Datenschutz.
Damit ist der Data Explorer für alle von Nutzen, die gern einen Einblick in politische und soziale Einstellungen und Handlungen der deutschen Bevölkerung haben möchten: Forschende, Studierende, Journalist:innen, Politiker*innen, aber auch alle anderen Bürger:innen. Im Sinne von Open Science sind wir der Überzeugung, dass Forschungsdaten nicht nur in Form von Rohdaten, sondern auch nutzerfreundlich und verständlich zur Verfügung gestellt werden sollten.
Martin Emmer, Sie sind wissenschaftlicher Leiter des Weizenbaum Panels, für das der Data Explorer entwickelt wurde. Was wird in diesem Projekt erforscht, und welche Rolle spielt dabei eine Anwendung wie der Data Explorer?
Martin Emmer: Für das Weizenbaum Panel führen wir seit 2019 jedes Jahr eine bevölkerungsrepräsentative Befragung durch, in der wir nach Themen wie Nutzung digitaler Medien, Einstellungen zur Politik und politischem Engagement in- und außerhalb des Internets fragen. Zu den zentralen Forschungsfragen unseres Teams gehört zum Beispiel, wie sich Erwartungen von Menschen an demokratische Politik durch die immer stärkere Digitalisierung aller Lebensbereiche verändern oder ob sich durch digitale Medien Ungleichheiten im politischen Engagement verstärken oder vermindern. Das Besondere am Weizenbaum Panel ist, dass dabei einmal im Jahr möglichst immer wieder dieselben Menschen befragt werden. Mit dieser Methode lassen sich Veränderungen im Zeitverlauf viel besser beobachten und wissenschaftlich analysieren. Dieser letzte Punkt macht das Weizenbaum Panel besonders, denn solche Daten werden umso wertvoller, je länger die Zeitreihe ist. Aktuell liegen Daten aus vier Befragungswellen vor, im Herbst 2023 wird die fünfte Befragung stattfinden.
Das Panel ist eine sehr wichtige Dateninfrastruktur nicht nur für das Weizenbaum-Institut, sondern für alle, die sich für die Veränderung politischen Verhaltens und politischer Einstellungen im Kontext des digitalen Wandels unserer Gesellschaft interessieren. Das ist natürlich die Wissenschaft, aber auch Politik, Zivilgesellschaft und Bürgerinnen und Bürger – der Data Explorer soll allen diesen Gruppen einen möglichst leichten Zugang zu den Daten des Panels geben.
Können Sie uns die Arbeit des Methodenlabs schildern, für das Sie arbeiten - und welche Aufgabe es am Weizenbaum-Institut hat?
Roland Toth: Das Methodenlab ist die zentrale Stelle für Methodenfortbildung, -beratung und -entwicklung am WI, an dem zahlreiche Forschungsgruppen mit diversen Methoden der Datenerhebung und -auswertung und auch verschiedensten Tools und Softwarepaketen arbeiten. Um exzellente Forschung zu gewährleisten, müssen nicht nur die richtigen Methoden gewählt, sondern diese auch gut beherrscht werden. Somit ist unsere primäre Aufgabe, Fortbildungsangebote für die Forschungsgruppen bereitzustellen. Welche Datenerhebungs- und Auswertungsmethoden die Forschenden brauchen, haben wir in institutsinternen Befragungen ermittelt. Auf dieser Grundlage haben wir bereits mehrere Workshops und sogenannte „Coffee-Lectures“ organisiert. Darüber hinaus bietet das Methodenlab Beratung zu individuellen methodischen Fragen an und versteht sich dabei auch als eine Art Hub, der einen Überblick über Expertise unter den Forschenden am Institut hat. Die Entwicklung des Weizenbaum Panel Data Explorers ist ein Ergebnis unserer dritten Aufgabe, der Methodenentwicklung. Dabei geht es uns nicht nur um die Weiterentwicklung wissenschaftlicher Methoden, sondern auch um die Entwicklung von Tools, mit denen Daten visualisiert und besser verfügbar gemacht werden können.
Strukturen wie das Weizenbaum Digital Science Center sind (auch) wichtig, um die Öffnung von Wissenschaft und Forschung zu fördern. Welche Bedeutung hat Open Science für das Weizenbaum-Institut und seine Arbeit - und wie wird es gefördert?
Martin Emmer: Open Science bedeutet ganz grundsätzlich, Wissenschaft so transparent und partizipativ wie möglich zu gestalten. So gibt es intensive Anstrengungen, wissenschaftliche Publikationen im sogenannten Open Access für alle ohne zusätzliche Kosten zugänglich zu machen oder Forschungsdaten, die oft in befristeten Projekten von speziellen Teams erhoben werden, als Open Data auch nach Projektende und für andere Forschende nutzbar zu machen. Und über den Kreis wissenschaftlicher Experten hinaus bedeutet es auch, Wissenschaft für die Gesellschaft und auch Bürgerinnen und Bürger zu öffnen, etwa indem Menschen sich an wissenschaftlicher Arbeit beteiligen können und Befunde über die Wissenschaft hinaus auch aktiv in die Gesellschaft vermittelt werden. Zu all diesen Aspekten hat das Weizenbaum-Institut Strategien und Werkzeuge entwickelt, wie z.B. die Open-Access-Fachzeitschrift Weizenbaum Journal of the Digital Society oder den Data Explorer.
Allerdings ist es in unserer immer komplexer werdenden Wissensgesellschaft nicht damit getan, einfach alles nur öffentlich zugänglich zu machen: So wie viele Menschen heute das Gefühl eines Information Overload durch das Internet und soziale Medien kennen, kann auch in Wissenschaft oder Politik durch das schnelle Anwachsen von Wissensbeständen und Datenmengen der Überblick teilweise verloren gehen. Hierbei sollen Forschungsstellen des Weizenbaum-Instituts für ‚Metaforschung‘ und ‚Forschungssynthesen‘ helfen, die die aktuellen Entwicklungen in Digitalisierung und Forschung beobachten und für die Forschenden aufbereiten sollen. Der neue Data Explorer ist ein hervorragendes Beispiel dafür.
Vielen Dank für das Interview!
Martin Emmer ist Gründungsdirektor und Principal Investigator am Weizenbaum-Institut, wissenschaftlicher Leiter des Weizenbaum Panels und seit 2011 Professor für Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin, wo er die Arbeitsstelle Mediennutzung leitet. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Kommunikation, Nutzung digitaler Medien sowie Methoden der empirischen Kommunikationsforschung.
Roland Toth ist Data Scientist am Methodenlab des Weizenbaum-Instituts. In seiner Funktion unterstützt er die Forschungsgruppen des WI bei der Aneignung methodischer Expertise und berät sie zu Studienvorhaben und Datenanalysen. Zudem betreibt er Methodenforschung und entwickelt Werkzeuge zur Datenanalyse und -visualisierung im Rahmen von Forschungsprojekten des Instituts.
Das Interview führte Moritz Buchner.