Der große Durchbruch in der digitalen Bildung war bisher nicht dabei

17.11.2025

Am 18. November diskutieren wir bei der Weizenbaum Debate über KI im Klassenzimmer. Im Interview sprachen wir mit Claudine Urban-Schneider, einer Speakerin des Abends, über ihre Vorbilder im Bereich digitale Bildung und was gute Debattenkultur für sie ausmacht.

Künstliche Intelligenz hält Einzug in den Unterricht – doch was bedeutet das für Bildung, Chancengleichheit und Lehrkräfte? Zu dem Thema „KI gehört ins Klassenzimmer!“ lädt das Weizenbaum-Institut am 18. November 2025 zur Weizenbaum Debate ein. Als Diskutant:innen auf dem Podium stehen Claudine Urban-Schneider, Geschäftsführerin des Bundesverbands Innovative Bildungsprogramme e. V. (BIB), und Stefan Schönwetter, Datenschützer und Experte für digitale Bildung bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). Im Vorfeld der Debate sprachen wir mit beiden über ihren Blick auf digitale Bildung und KI. Hier finden Sie das zweite Gespräch mit Claudine Urban-Schneider. 

 

Wie sind Sie zu dem Themenfeld digitale Bildung gekommen, Frau Urban-Schneider?  

Ich weiß gar nicht, ob das eine aktive, gewählte Entscheidung meinerseits war. Es ist ja eher so: an digitaler Bildung - an KI - kommt man einfach nicht mehr vorbei. Aber ich denke spätestens in meiner Arbeit in der Berliner Bildungsverwaltung, wurde mir klar, dass Digitalisierung weit mehr ist als die Einführung technischer Geräte – sie ist ein Transformationsprozess, der pädagogische Haltung, Organisationskultur und Lernprozesse gleichermaßen betrifft. Durch meine verschiedenen Tätigkeiten und Rollen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene wurde mir im Laufe der Zeit die Komplexität der föderalen Strukturen und das Ausmaß der Herausforderungen für “digitale Bildung” klar. Im Bundesverband Innovative Bildungsprogramme e.V. engagiere ich mich nun dafür, neue Lernkulturen und Future Skills in die Breite zu tragen. Medienkompetenz ist eine dieser wichtigen Zukunftskompetenzen. Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu denken – mit dem Ziel, dass alle Kinder und Jugendlichen die Kompetenzen erwerben, die sie für ein selbstbestimmtes Leben brauchen. Das treibt mich und unsere Mitglieder im Bundesverband Innovative Bildungsprogramme e.V. an.


Was ist ein persönliches Highlight aus Ihrer Arbeit zu dem Thema?

Ganz ehrlich: Da ich systemisch denke und die gesamte Bundesrepublik im Blick habe, muss ich leider konstatieren: Der große Durchbruch in der digitalen Bildung war - trotz Digitalpakt 1.0 und 2.0 - bisher nicht dabei.

Aber ich bin der Meinung, man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden. Ich schaue gerne ins Ausland, da ich selber einen großen Teil meiner Schullaufbahn im Ausland absolviert habe. Internationale Vorbilder wie zum Beispiel Estland, Singapur, Südkorea, Kanada oder Taiwan machen mir Mut. Diese Länder haben in der Regel klare nationale Digitalstrategien, weisen hohe Investitionen in die digitale Infrastruktur auf, leisten sich eine starke Lehrkräfte Aus- und Weiterbildung und verfolgen pädagogisch begründete Konzepte statt rein technischer Lösungen.
 

Wie und in welchen Kontexten nutzen Sie persönlich Künstliche Intelligenz? 

Ich nutze KI sowohl beruflich als auch privat – im Bundesverband Innovative Bildungsprogramme e.V. etwa, um komplexe Informationen effizienter aufzubereiten oder um mich bei kreativen Prozessen inspirieren zu lassen. KI hilft mir zum Beispiel, große Datenmengen zu strukturieren oder eine gute Headline für einen Social Media Post zu finden. Privat setze ich KI-Tools auch mal für alltägliche Recherche ein, zum Beispiel wenn ich eine Reise plane. Wichtig ist mir dabei stets: KI darf Denkprozesse anstoßen, aber nicht übernehmen.


Wofür würden Sie persönlich Künstliche Intelligenz nie nutzen? 

Ich würde KI niemals dort einsetzen, wo menschliche Werte, Empathie oder Verantwortung entscheidend sind – etwa bei der Bewertung von Menschen, zum Beispiel bei Personalentscheidungen. Außerdem würde ich niemals eine von der KI generierte Antwort im Sinne von Copy/Paste weiterverarbeiten, ohne den Inhalt zu hinterfragen  - insbesondere bei Dingen, von denen ich nichts verstehe.


Was macht gute Debattenkultur für Sie aus? 

Eine gute Debattenkultur lebt für mich von Respekt, Offenheit und der Bereitschaft, zuzuhören. In jeder Debatte begegnen sich viele unterschiedliche Akteur:innen. In bildungspolitischen Debatten sind dies in der Regel verschiedene politische Ebenen, verschiedene Interessenvertretungen, die Zivilgesellschaft, die Praxis, die Wissenschaft, und natürlich die Kinder, Jugendlichen und Eltern selbst. Ich halte es für essenziell, dass wir uns in diesen Diskussionen nicht in Schlagworten verlieren, sondern ernsthaft um Lösungen ringen, die Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt stellen. 

Im Bundesverband Innovative Bildungsprogramme e.V. setzen wir uns für Diskurse ein, in denen sachliche, kontroverse, aber immer konstruktive Auseinandersetzungen möglich sind. Eine demokratische und lernende Gesellschaft braucht diese Form des Dialogs – heutzutage mehr denn je.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Claudine Urban-Schneider ist seit 2025 Geschäftsführerin des Bundesverbands Innovative Bildungsprogramme e. V. (BIB). Zuvor war sie mehrere Jahre in der Bildungsverwaltung und -politik tätig, zuletzt als Expertin für Bildungs- und Familienpolitik auf Bundesebene. Sie setzt sich für Chancengerechtigkeit, Netzwerkbildung und innovative Lernkulturen ein.

Die Weizenbaum Debate ist eine Diskussionsreihe, bei der Expert:innen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft kontrovers Themen rund um die Digitalisierung beleuchten. Aktuelle Fragestellungen werden kritisch diskutiert und verschiedene Meinungen gegeneinander abgewogen – stets im Geiste von Joseph Weizenbaum und seiner visionären Technikkritik.

Die nächste Ausgabe findet am 18. November zum Thema „KI gehört ins Klassenzimmer“ statt. Jetzt anmelden