
„Das produktive Potenzial von Kritik“
10/20/2025Am 18. November diskutieren wir bei der Weizenbaum Debate über KI im Klassenzimmer. Im Interview erzählt uns Stefan Schönwetter, einer der beiden Speaker, wie er Künstliche Intelligenz nutzt, und was gute Debattenkultur für ihn ausmacht.
Künstliche Intelligenz hält Einzug in den Unterricht – doch was bedeutet das für Bildung, Chancengleichheit und Lehrkräfte? Zu dem Thema „KI gehört ins Klassenzimmer!“ lädt das Weizenbaum-Institut am 18. November 2025 zur Weizenbaum Debate ein. Als Diskutant:innen auf dem Podium stehen Claudine Urban-Schneider, Geschäftsführerin des Bundesverbands Innovative Bildungsprogramme e. V. (BIB), und Stefan Schönwetter, Datenschützer und Experte für digitale Bildung bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). Im Vorfeld der Debate sprachen wir mit beiden über ihren Blick auf digitale Bildung und KI. Hier finden Sie das erste Gespräch mit Stefan Schönwetter.
Wie sind Sie zu dem Themenfeld digitale Bildung gekommen, Herr Schönwetter?
Ganz ehrlich, per Zufall. Ich habe zur Jugendweihe einen eigenen PC geschenkt bekommen. Ein Freund der Familie sagte aber, bevor ich den jetzt nutze, müssen wir den Computer auseinanderbauen und mal reingucken, auseinander und zusammenbauen. Seit dem hatte ich immer großes Interesse an Technik. 2009 haben wir in der DJKS ein Schulentwicklungsnetzwerk zu Lernkultur gestartet, in dem es überraschend oft um Digitalisierungsfragen ging. Von dort aus ging es dann immer weiter.
Was ist ein persönliches Highlight aus Ihrer Arbeit zu dem Thema?
Wir haben von 2014 an viele Jahre junge Menschen im Programm Think big unterstützt, eigene Projekte mit Schwerpunkt Digitalisierung umzusetzen. Das waren damals wirklich tolle Projekte. Letzten Monat haben wir eine Veranstaltung organisiert, wo eine Teilnehmerin dieses Programms auf der Bühne als Expertin saß, weil sie selbst thematisch passend publiziert hat und Digital-Unternehmerin ist. Das gibt der ganzen Sache wirklich Sinn und Bedeutung.
Wie und in welchen Kontexten nutzen Sie persönlich Künstliche Intelligenz?
Es ist eher die professionelle Auseinandersetzung mit dem Thema, als dass künstliche Intelligenz mein Privatleben durchzieht. Vermutlich nutze ich es am häufigsten an den vielen Stellen wo ich es gar nicht merke, Wettervorhersagen, Smartphone-Dienste...
Wofür würden Sie persönlich Künstliche Intelligenz nie nutzen?
Für viele Sachen, aber wenn ich etwas herausgreifen müsste, dann, um mir ein Urteil über Menschen zu bilden.
Es gibt so viele Themen, die ich an dieser Stelle auch nennen könnte, etwa um Bilder von oder mit Menschen zu bearbeiten, selbst Fake-Videos oder Bilder zu erstellen. Auch um mir Ergebnisse zu etwas erstellen zu lassen, von dem ich nichts verstehe. Ich würde mir keinen Code für eine Anwendung erstellen lassen, wenn ich dann nicht verstehe, was ich damit eigentlich mache.
Ganz generell verspüre ich eine ökologische und soziale Verantwortung. Ist eine KI-Nutzung wirklich so gut, dass sie den ökologischen Schaden rechtfertigt oder man darüber hinwegschauen kann, dass Click Worker wirklich furchtbare Daten prüfen mussten, damit ich dieses System nutze?
Was macht gute Debattenkultur für Sie aus?
Dass es um die Sache und nicht um die Personen geht. Am Ende, in unserem Fall, wollen wir alle das Bildungssystem besser machen – dafür müssen wir uns alle wertschätzen.
Ich hatte das Privileg im Jahr 2011 der Diskussion zwischen Judith Butler und Gayatri Chakravorty Spivak, María Do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan „What is Critique“ zu lauschen. Es ging um das produktive Potenzial von Kritik und wie radikale Kritik dazu führen kann, in Krisen Interventionen abseits dessen zu finden, was sich aus Sachzwängen aufzudrängen scheint. Das hat mich sehr bewegt und leitet mich in Debatten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Stefan Schönwetter ist Datenschützer und Experte für digitale Bildung. Er berät NGOs und Bildungseinrichtungen in Fragen von Datenschutz, Digitalität und Medienbildung. Bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) fungiert er als Experte für digitale Bildung und engagiert sich öffentlich für Transparenz, Offenheit und klare Spielregeln beim Einsatz von KI und digitalen Lernsystemen.
Die Weizenbaum Debate ist eine Diskussionsreihe, bei der Expert:innen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft kontrovers Themen rund um die Digitalisierung beleuchten. Aktuelle Fragestellungen werden kritisch diskutiert und verschiedene Meinungen gegeneinander abgewogen – stets im Geiste von Joseph Weizenbaum und seiner visionären Technikkritik.
Die nächste Ausgabe findet am 18. November zum Thema „KI gehört ins Klassenzimmer“ statt. Jetzt anmelden